Zwei Tage in Berlin – Bilder einer Stadt

Die neue Sonderausstellung im Museum THE KENNEDYS

Das Museum THE KENNEDYS beteiligt sich am Themenjahr »20 Jahre Mauerfall«. Mit der fotografischen Sonderausstellung »Zwei Tage in Berlin – Bilder einer Stadt« wird die Dauerausstellung des Museums um rund fünfzig Exponate erweitert. Bereits im Titel dieser Erweiterung finden sich in verdichteter Form Konzept und Kernaussage des Vergleichs zwischen zwei zentralen Tagen in der jüngeren Geschichte Berlins. Zum einen ist dies mit dem 9. November 1989 der Tag, an dem die Berliner Mauer fiel, und zum anderen der Tag des Besuches des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in der geteilten Stadt am 26. Juni 1963.


Zwei Daten – zwei Höhepunkte

Beide Daten waren Kulminationspunkte verschiedener historischer Entwicklungen. Darüber hinaus sind beide Ereignisse, die durch eine Vielzahl von Ursachen bedingt wurden, gerade in ihrer kristallisierten Form der eintägigen Geschehnisse in Erinnerung geblieben. Obwohl sie ohne Wissen um vorhergehende Entwicklungen nicht zu begreifen sind, symbolisieren beide Tage die sichtbare Entfaltung längerfristiger Prozesse. Dabei prägten und bereicherten Filmaufnahmen und insbesondere Fotografien der Berliner Ereignisse von 1963 und 1989 die Erinnerungen von Menschen in aller Welt.

 

Der Aufruf des ersten Regierenden Bürgermeisters, Ernst Reuter, an die Völker der Welt, auf Berlin zu schauen, blieb auch in der Zeit nach der sowjetischen Blockade West-Berlins nicht ungehört. Die explizite Aufforderung, die Stadt nicht aus den Augen zu lassen, trägt in sich die Idee von Visualisierung, von Sichtbarmachung von Politik. Zwei Tage, in denen die Welt besonders aufmerksam auf Berlin schaute, dienen der Sonderausstellung gleichsam als Angelpunkte für die Betrachtung der Geschichte Berlins während der Zeit der Teilung. Die Fotografien von alltäglichen Situationen vor und nach den beiden Massenereignissen eröffnen, gerade im Wissen um diese Fluchtpunkte, neue Perspektiven.

 

26.06.1963 – »Ich bin ein Berliner!«

Die Nachricht vom Bau der Mauer erschütterte den jungen Präsidenten John F. Kennedy im August 1961 zunächst deutlich geringer als die Menschen in Berlin. Seinem außenpolitischen »grand design« folgend, maß er der neu errichteten Mauer weit weniger Unheil zu, als der möglichen Alternative: einem Krieg mit der Sowjetunion. Erschien Washington der nunmehr (im wahrsten Sinne des Wortes) befestigte »status quo« aus pragmatischer Perspektive nützlich, so hatte die Passivität der westlichen Alliierten im eingemauerten Westen der Stadt einen Aufschrei provoziert. Und so war Kennedys Besuch in West-Berlin auch Ausdruck des Bestrebens, die Berlinerinnen und Berliner von der standfesten Unterstützung durch die USA zu überzeugen. Ein Plan, der aufging. Nie wurde ein Staatsoberhaupt von den Bewohnern Berlins vergleichbar herzlich empfangen. Kennedys Besuch markierte den emotionalen Höhepunkt deutsch-amerikanischer Beziehungen[1] und blieb nicht nur wegen des legendär gewordenen »Ich bin ein Berliner« in den Köpfen verhaftet. Gerade die friedliche und begeisterte Stimmung blieb unvergessen.

 

So intensiv und minutiös der Besuch auch geplant und inszeniert sein mochte – es war die Improvisation, die ihn perfektionierte. Beeindruckt von der überschwänglichen Freude des Berliner Publikums und bestürzt ob des Anblicks des »antifaschistischen Schutzwalls« samt Terrorgeleit aus Stacheldraht und Todesstreifen brach Kennedy mit dem Skript und adressierte die Menschen am Schöneberger Rathaus weit emotionaler als geplant. Das Momentum der Menschenmassen hatte den mächtigsten Mann der Welt erfasst. Er stellte seinem eigentlichen Grußwort eine kurzfristig erdachte Ansprache zuvor, die seine ganze Abscheu vor der Mauer und seine Bewunderung für die Menschen der »Frontstadt« zum Ausdruck brachte.

 

Dessen ungeachtet waren es jedoch auch gerade Ansätze in der Politik Kennedys, die einmal – wenngleich über viele Stationen vermittelt und erst nach mehreren Jahrzehnten – mit dazu beitrugen, die Mauer zu beseitigen.

 

09.11.1989 – »Die Mauer muss weg!«

Donnerstag, 9. November 1989. Was die Berliner an jenem Tag erlebten, war Jahre, Monate und selbst wenige Wochen zuvor noch unvorstellbar gewesen. Am Tag, an dem die Mauer fiel, rückte die Stadt erneut in den Fokus weltweiter Berichterstattung und emotionaler Erinnerung.

 

In Fotografien destilliert, scheinen die Emotionen dieses Tages jene des Kennedybesuches noch zu überflügeln. Dennoch erschließt sich das Gefüge beider Tage, beim Blick in die Gesichter der Beteiligten. Erneut kommt es zu Ereignissen, die nicht zu erfassen sind, ohne das Wissen um die Entwicklungen, die sie bedingten. Demonstrationen, Verhandlungen, Resignation und drohender Kollaps – all dies tritt zurück hinter die unverhüllte Freude über die Beseitigung des Beweises dafür, dass man unfähig war, miteinander leben zu können.

 

Wer dabei war, kann heute kaum unterscheiden zwischen dem, was er wirklich sah und dem, was er nun in den Geschichtsbüchern und -fernsehsendungen zu sehen bekommt. Die Bilder des Mauerfalls, der »Mauerspecht« und der belächelten Autos, die dort den ehemals so vehement gehüteten Grenzstreifen überquerten, sind Teil der modernen Legende um die Wiedervereinigung Deutschlands.

 

Im unmittelbaren Zentrum stehen hier die Mengen von Menschen und das Bauwerk selbst. Kein noch so eloquenter Politiker vermag es, den Fokus dieses Tages ganz auf sich allein zu ziehen. Dieser Tag gehört den Berlinerinnen und Berlinern nun ganz allein. Sie sind die Fotografierten, denen das Rampenlicht jenes Tages schien und denen die Ausstellung besonderes Augenmerk schenkt.

 

In Fotografien vereint

Sechsundzwanzig Jahre voneinander getrennt gingen die Nachrichten von den Ereignissen beider Tage besonders in Form von Bildern um die Welt. In der Ausstellung »Zwei Tage in Berlin« treffen sie nun direkt aufeinander und offenbaren Parallelen und Unterschiede beider historischer Augenblicke. Gespeist wird ihre übergreifende Bedeutung jedoch besonders durch jene Aufnahmen, die zeitlich jeweils vor und nach den beiden Ereignissen selbst entstanden. Diese dienen nicht nur als Klammer, die beide Momente vereint, sondern auch als Hintergrund, um beide neu wahrzunehmen. Fotografen von Weltrang, unter ihnen Bruno Barbey, Thomas Billhardt, Leonard Freed, Thomas Hoepker und Will McBride, hielten sowohl Gesichter und Gesten der Beteiligten als auch die markantesten Bauwerke in ihren Bildern fest.

 

Aufbau und Exponate der Ausstellung liefern anhand von Momentaufnahmen Einblicke in ein im Entstehen befindliches, übergreifendes Narrativ deutscher Geschichte der letzten sechzig Jahre. Der Versuch diese Einblicke entlang der Parallelen zweier Tage auszurichten, steht dabei dennoch gleichzeitig in Einklang mit einer linearen Betrachtung der Nachkriegsgeschichte Berlins. Die Frage, ob es demnächst eine andere, allgemeine und eventuell vorwärtsgewandte Bezeichnung für diese Geschichte geben wird, ist eine von vielen, derer sich die Ausstellung bis zum 31. Januar 2010 widmet.

 

CJ

 

[1] Andreas Daum. Kennedy in Berlin: Politik, Kultur und Emotionen im Kalten Krieg. Paderborn 2003. S. 189-197.