Die Präsidentschaft von John F. Kennedy fiel in die Zeit der Dominanz der Kunstrichtung »Pop Art«. In den USA etablierte sie sich Ende der 1950er Jahre und blühte in der darauffolgenden Dekade vollkommen auf.
Die Pop Art löste sich von den Vorgaben und Ansätzen des Abstrakten Expressionismus und griff die von den Vorgängern verpönten Symbole der Massenkultur und des Kommerzes auf. Die Themen sowie die Techniken, die sie verwendeten, waren mit der Werbung oder den Comic Books, das heißt, den Schöpfungen der populären Kultur, eng verbunden. Pop Art schreckte auch nicht vor Kitsch zurück, vor dem der amerikanische Kunstkritiker Clement Greenberg noch wenige Jahre zuvor in seinem Aufsatz Avant-Garde and Kitsch (1939) eindringlich warnte. Die Vertreter der Pop Art scheuten nicht ihre Schritte gen Banalen und Alltäglichen zu lenken, um die Grenze zwischen Elitärem und Gewöhnlichem zu Fall zu bringen. Für die Herstellung ihrer Werke wandten sie die Techniken der modernen Industriegesellschaft an, wie zum Beispiel der Reproduktion oder des Siebdruckverfahrens, um durch die Vervielfältigung die Zugänglichkeit ihrer Werke für ein größeres Publikum zu ermöglichen.
Ein Künstler, der für alle diese Eigenschaften einsteht, ist der extravagante Maler, Filmemacher, Musikproduzent, Schriftsteller und Exzentriker der amerikanischen Boheme – Andy Warhol. Die Inhalte seiner Werke bezogen sich, genauso wie bei den anderen Künstlern der Pop Art, auf die wahren Zeugnisse der populären Kultur wie Werbeplakate, Verpackungen, Fernseh- und Kinobilder sowie Comic Books. Eine der einzigartigen Entwicklungen der 1960er Jahre war das Aufkommen von Celebrities, die mit der Zeit zu einem besonders wichtigen und häufigen Motiv in der Kunst von Andy Warhol avancierten. Persönlichkeiten wie Marilyn Monroe, Elvis Presley, Mike Jagger, Grace Kelly als auch die Familie Kennedy nahmen einen besonderen Platz in seinem Schaffen ein. Andy Warhol widmete dem Traumpaar aus dem Weißen Haus sogleich mehrere Werke.
Das Bild Jackie (1964) ist ein Portrait der First Lady in der besten und bekanntesten Manier des Künstlers. Es ist ein für ihn typischer Siebdruck einer Berühmtheit mit einem sehr bunten, in diesem Fall roten Hintergrund und blauen Umrissen. Ein großes Porträt der wunderhübschen, lächelnden Jacqueline Kennedy, der öffentlichen Persönlichkeit und Identifikationsfigur, schaut aus dem Bild in die Ferne. Weitere Bilder, die unter Titeln wie Jacqueline Kennedy I (Jackie I) oder Jacqueline Kennedy II (beide 1966) veröffentlicht wurden, zeigen die wohl berühmteste Ehefrau eines Staatsoberhauptes der 1960er Jahre in verschiedenen Farben, Situationen, Lagen und Stimmungen.
In Sixteen Jackies (1964) zeigt Warhol Jacqueline Kennedy, während sie den repräsentativen Pflichten als First Lady nachgeht. Der Künstler zeigt sie in verschiedenen Momenten ihres öffentlichen Lebens wie bei amtlichen Besuchen oder während der Trauerzeit, das heißt sowohl in freudigen als auch in klagenden Augenblicken. Diesmal bezog sich Warhol auf acht aus der Presse nach der Ermordung ihres Gatten erschienene Bilder und setzte sie zu einem sich wiederholenden zufälligen Mosaik in Weiß, Schwarz, Blau und Gold zusammen. Fünf der sechszehn Bilder zeigen die wie immer modebewusst gekleidete und lächelnde Jackie, wobei man hinter ihr einen Blick auf den Präsidenten erhaschen kann. Drei weitere Bilder zeigen einen Uniformierten, der die Witwe während John F. Kennedys Begräbnis auf Arlington begleitet hatte. Andere drei Teile zeigen den in Kummer gehüllten gesenkten Kopf der First Lady im Profil. Weitere Ausschnitte offenbaren Porträts von Jackie, entweder bei bester Laune oder in tiefer Trauer. Es ist nicht das einzige Bild, das aus sechszehn individuellen Bildern besteht, so existieren noch weitere sechs davon. Warhol fertigte eine ganze Serie, in der Jackie Kennedy die Hauptrolle spielt, dessen umfangreichstes Beispiel Thirty-Five Jackies (1965) ist.
Flash-November 22 (1963) ist ein Portfolio von Andy Warhol, das aus vierzehn farbigen Siebdrucken zusammengesetzt ist. Die Bilder entstanden auf der Basis der Attentatphotos, die in der Presse und im Fernsehen gezeigt wurden. Der Künstler widmete sich in seinen Werken den vier Tagen, die zwischen der Ermordung und der Beerdingung des Staatsoberhauptes lagen. Zum Bestand dieser Serie gehören unter anderem Bilder von Jackie und John F. Kennedy, vom Präsidentensiegel, vom mutmaßlichen Attentäter Lee Harvey Oswald, seiner angeblich bei einem Versandhaus bestellten Waffe sowie von dem Haus, aus dessen Fenster die tödlichen Schüsse abgegeben wurden. Die Bilder wurden zu einer eindringlichen Studie des nationalen Traumas, das sich über die Grenzen ausgebreitet hat sowie der allgegenwärtigen emotionalen Anwesenheit der Medien.
Im Jahr 1980 fertigte Andy Warhol ein Porträt eines weiteren Mitglieds der Kennedy-Familie, nämlich Edward »Ted« Kennedy, an. Das Bild zeigt den im August 2009 verstorbenen Politiker, der im Entstehungsjahr des Bildes als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde. Edward Kennedy ist ein Siebdruck, in dem Warhol die Farben der amerikanischen Flagge und Diamantenstaub benutzte, um den Glanz der Persönlichkeit zu unterstreichen.
Das Präsidentenpaar wurde zum Vorzeigeehepaar, zur Vorbildfamilie und letztlich zu Fernsehstars und zur Stilikone erhoben. Sie wurden verehrt und geliebt als sie lebten und beweint und bedauert nach ihrem Tod. Solche großen Gefühle wurden bis dahin keiner Politikerfamilie zuteil. Ihre Medienpräsenz sowie die positiven Gefühle, die sie begleiteten, verhalfen ihnen zu enormen Interesse seitens der Kunstwelt. Nicht nur Andy Warhol, sondern auch viele andere Maler, Bildhauer und Photographen stellten die Kennedy-Familie in ihren Werken dar.
Notiz: Das Museum THE KENNEDYS stellt ein Screenprint von Andy Warhols Jacqueline Kennedy III (1966) aus.
JK