Der katholische Präsident

Mit über 20 Prozent stellt die katholische Kirche heute eine der größten Glaubensgemeinschaften in den USA dar. Auch bei Kennedys Amtsantritt 1961 lagen die Zahlen nur knapp unter dieser Marke. Dennoch wurde Kennedys Weg zum höchsten Amt im Land gerade durch seine Religionszugehörigkeit erschwert. Seit Anbeginn der Nation dominierten protestantische Kräfte die Geschicke. Das Misstrauen gegenüber der katholischen Kirche hatte über die Jahrhunderte hinweg Bestand, so war es beispielsweise im 18. Jahrhundert Katholiken im Bundesstaat New York untersagt, politische Ämter auszuüben. Die Befürchtungen, dass der Vatikan die Geschicke im Land übernehmen würde, überschatteten auch die Präsidentschaftswahl von 1928. Nach der gescheiterten Kandidatur von Al Smith gegen Herbert Hoover schien die Möglichkeit einer katholischen Präsidentschaft für immer erloschen.

 

Dennoch wagte sich im Jahr 1960 der junge Senator John F. Kennedy erneut an das Unternehmen. Schon 1939 hatten die Kennedys für Aufruhr in der amerikanischen Bevölkerung gesorgt, als Joseph Kennedy und seine Familie in Vertretung für Präsident Roosevelt am 13. März 1939 an der Amtseinführung von Papst Pius XII. teilnahmen. Interessanterweise findet sich in der amerikanischen Verfassung keine gesetzliche Grundlage für die unermüdliche protestantische Dominanz, sondern eine Garantie für Religionsfreiheit. Dennoch musste sich Kennedy gegen eine Welle von Pamphleten, Broschüren und Karikaturen wehren, die ihn als eine Marionette des Vatikans verklärten. Ein erschreckendes Ergebnis stellte zum Beispiel eine Umfrage ein Jahr vor Kennedys Kandidatur dar, in der 24 Prozent der Befragten angaben, dass sie einem katholischen Kandidaten, unabhängig von seinen Qualifikationen, nicht ihre Stimme geben würden. Wie irrational die Bestrebungen seiner Kontrahenten waren, zeigte auch ein Beispiel der »New York Times«. Am 7. September 1960 erschien ein Artikel der »National Conference of Citizens for Religious Freedom«. Sie attackierten Kennedy scharf und bezeichneten ihn, wie auch Chruschtschow, als »Gefangener eines Systems«. Allerdings, wie Robert Dallek in seiner Biographie über Kennedy treffend schlussfolgerte, »taten sie das, was sie Kennedys Kirche vorwarfen – sie mischten weltliche und konfessionelle Angelegenheiten«. Solche Artikel konnten der demokratischen Partei allerdings viele Wähler kosten. Man befürchtete sogar eine Wiederholung der Wahlen von 1928. Schlesinger sagte später über diese Periode des Wahlkampfs, dass »der Gedanke, dass ihm [Kennedy] sein Glaube verwehren könnte, was er sich durch sein Talent und seine Leistungen erarbeitet habe« Kennedy sehr bedrückte. 

 

Um den Ungerechtigkeiten des Konkurrenten eine Ende zu setzen, gründete man die »Community Relations Division«. Am einflussreichsten mag allerdings aus heutiger Sicht Kennedys Auftritt am 12. September 1960 vor der »Greater Houston Ministeral Association« in Houston, Texas, gewesen sein, vor der auch Al Smith gesprochen hatte. Das Ergebnis der damaligen Wahlen beunruhigte Kennedys Berater, u.a. auch seinen Bruder Robert, die ihm alle von der Reise abrieten. Wahrscheinlich hatte im Endeffekt allerdings gerade seine Rede die rettenden Stimmen ergeben. Kontinuierlich vertrat er, wie auch in seinem Wahlkampf und seiner Präsidentschaft, die Trennung von Staat und Kirche, wie sie in der Verfassung vorgeschrieben ist. Seinen 300 Zuhörern im Crystal Ballroom des Houston Rice Hotel und seinen rund einer Millionen Fernsehzuschauern erklärte er, dass er nicht der »katholische Präsidentschaftskandidat« sei. »Ich bin der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, der zufälligerweise auch ein Katholik ist.«

 

Mit wenig mehr als 100.000 Stimmen siegte Kennedy gegen seinen Kontrahenten Richard M. Nixon. Experten meinten damals, wie von der »New York Times« berichtet, dass vor allem Katholiken mit ihrer Stimmenabgabe für Kennedy den Ungerechtigkeiten entgegentreten wollten, aber auch Wähler, die die Bigotterie der Kontrahenten als abstoßend empfanden. Heute, 50 Jahre nach Kennedys Präsidentschaft, sind Teile der amerikanischen Wählerschaft dennoch nicht vorurteilsfrei. Auch wenn mit Joe Biden als katholischer Vizepräsident die alten Ängste der Vorherrschaft des Vatikans nicht mehr aufkeimten, so war es dieses Mal die Debatte um Präsident Obamas Herkunft und Hautfarbe die während des Wahlkampfes präsent war.  

 

FA