JFK und das Space Race

Inmitten des Kalten Kriegs ergab sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Amerikanern und Sowjets in der Weltraumfahrt, das sogenannte space race. Am 4. Oktober 1957 ging ein »Sputnik-Schock« um in der westlichen Welt, sagen die Geschichtsbücher. Damals beförderten die Sowjets den ersten Satelliten der Menschheitsgeschichte in seine Erdumlaufbahn. Das erschütterte allerdings nicht nur westliche, allen voran amerikanische, Selbstwahrnehmung. Die Sputnik-Zündung sorgte in den Vereinigten Staaten nicht allein dadurch für Furore, dass sie den Stolz einer Nation kränkte, die sich traditionell in globaler Führungsrolle sieht. Es waren die eher handfesten Implikationen des space race, die John F. Kennedy dazu bewegten, seine Agenda anzupassen. Tatsächlich avancierte die Raumfahrt zu einem seiner wichtigen politischen Anliegen. Rhetorisch ließ sich die New Frontier (neue Grenze), Leitmotiv des Kennedy-Programms, bereitwillig ins All verlegen. Dem Vorreiter in dieser neuen Disziplin, so sah es der Präsident, winkten vielfältige, genauer: »politische, wirtschaftliche und technologische Vorteile«. Was das Technologische betrifft, dachte Kennedy, würden mehr Zeit und Geld für die Raumfahrt den günstigen Nebeneffekt fortschreitender Satelliten- und Kommunikationstechnik mit sich bringen. Wirtschaftlich gesehen versprach ein spendierfreudiger Einstieg in das space race neue Arbeitsplätze.

 

Bei den »politischen Vorteilen« schwebte Kennedy dann doch die internationale Imagefrage vor. Was wir vielleicht leichtfertig als Eitelkeit abtun möchten, war in Zeiten des Kalten Krieges ein ernstzunehmendes Problem. Jede Erfolgsstory, die es bis auf die Bühne der Weltöffentlichkeit schaffte, schrieb sich ein in den ideologischen Krieg der zwei Blöcke. Ein vermeintlich unpolitisches Sportereignis etwa verstand man entweder als Triumph der »freien Welt« oder des Kommunismus. Durch Sputnik offenbarte sich nun der sowjetische Vorsprung in der Raumfahrt. Dieser ließ den real existierenden Sozialismus, vom Marktwirtschaftler gerne als rückständig verschmäht, in ganz neuem Licht erstrahlen – und drohte, das amerikanische System zu diskreditieren. Im Wettstreit um die Völker der Dritten Welt konnte ein solcher Prestigeverlust verhängnisvoll sein. Als Präsident Kennedy den NASA-Chef Jim Webb drängte, die verfügbaren Mittel verstärkt auf das Apollo-Unternehmen der ersten Mondfahrt zu konzentrieren, standen technologische oder wirtschaftliche Ambitionen vielleicht nicht im Mittelpunkt. Vielmehr, so scheint es, träumte Kennedy von der Schlagzeile in allen Zeitungen dieser Welt: »Der erste Mann auf dem Mond ist ein Amerikaner.«

 

Eine maßgebliche Rolle bei dem Apollo-Unternehmen der Mondfahrt, wie auch bei den vorausgehenden Raumfahrtprojekten Mercury und Gemini, spielte der Deutsche Wernher von Braun. Im Dritten Reich war Braun in der nationalsozialistischen Militärforschung tätig gewesen. Sein Name steht im Zusammenhang mit der V2-Raketentechnik. Sein Mitwirken im amerikanischen Lager des space race ermöglichte ihm die Rehabilitation als Wissenschaftler. Bald nach der ersten Mondlandung fiel Braun sogar der Posten des stellvertretenden NASA-Direktors zu. Ob diese Ernennung moralisch haltbar war, darüber lässt sich streiten. Von der amerikanischen Rechtschaffenheit jedenfalls, die noch die Entnazifizierungs-programme im Deutschland der Nachkriegszeit bestimmte, war im Fall Wernher von Braun nichts mehr zu spüren. Seine Nazivergangenheit wurde da ausgeblendet, wo er im Kalten Krieg begann nützlich zu werden.

 

Das Apollo-Projekt rückte unter Kennedy sehr schnell ins Zentrum der amerikanischen Raumfahrt. Im September 1962 hielt Kennedy eine Rede, in der er seine Ziele und Motivation darlegte. Damals winkte die Mondlandung als das nächste Etappenziel im space race. Mittlerweile hatten die Sowjets mit Sputnik nicht nur den ersten Satelliten gezündet, sondern auch den ersten Menschen ins All befördert: Am 12. April 1961 wurde der Russe Yuri Gagarin zum ersten »Kosmonauten«; so nannte man schon bald die sowjetischen Raumfahrer im Unterschied zu den amerikanischen »Astronauten«. Die Wegstrecke zu einer ersten erfolgreichen Mondfahrt, die sich nun auftat, versprach den USA die Möglichkeit einer Aufholjagd. Erst im Juli 1969, fast 6 Jahre nach dem Tod John F. Kennedys, sollte diese seine Vision sich bewahrheiten, was aber noch durchaus in dem von ihm gesetzten Zeitplan stand: zu reüssieren, bevor sich die 1960er dem Ende neigen. Eine ganze Nation verharrte wie gebannt vor den Fernsehbildschirmen und beobachtete Neil Armstrong, wie er als Erster seinen Fuß auf die Mondoberfläche setzte.

 

BJ