»JFK turned to his wife for advice whenever a crisis arose: the Berlin Wall, the Cuban Missiles, the Bay of Pigs. . . . She wouldn’t advise his staff, she would advise him – that’s why nobody knew about it.«
Maj. Gen. Chester Clifton
Jacqueline Bouvier Kennedy ist den meisten damals wie heute wohl vor allem wegen ihres Stilbewusstseins bekannt. Man erinnert sich an ihr groß angelegtes Projekt zur »Redecoration« des Weißen Hauses oder die abendlichen, musikalischen Veranstaltungen und Dinner dort sowie ihre Unterstützung verschiedener Wohltätigkeitsorganisationen. Immer gut gekleidet, offen und freundlich gab sie die perfekte »First Lady«. Der Öffentlichkeit verborgen blieb jedoch, dass Mrs. Kennedy, wie sie bevorzugte genannt zu werden, auch »in der Diplomatie und sogar in der Politik eine prominente Rolle spielte.« Ihre sehr zurückgenommene, öffentliche Selbstdarstellung und die subtile Art ihres politischen Wirkens ließen viele glauben, dass sie an den politischen Aktivitäten ihres Mannes kein Interesse hatte, wohl auch unterstützt durch ihre Aussage zuallererst Mutter und Ehefrau zu sein. So sah sie es als ihre Aufgabe ihrem Mann, der abends nicht auch noch über politische Themen sprechen wollte, vor allem Abwechslung zum stressigen Alltag zu bieten. Tatsächlich übte Jackie jedoch einen großen Einfluss auf das diplomatische Protokoll und die Außenpolitik John F. Kennedys aus. Ihre Überzeugung »presidents’ wives have an obligation to contribute something« bezog sich auch auf das Politische. Daran soll hier erinnert werden.
Jackie Kennedy war oft in den Kongressräumen zu finden. Sie war nicht nur über die neusten Nachrichten unterrichtet, beispielsweise den wöchentlichen Bericht der CIA, sondern auch bei Gesprächen mit dem inneren Kreis des Präsidenten anwesend, wie etwa während der Kubakrise 1962. Als Dank für die Unterstützung seiner Frau während dieser Zeit schenkte Kennedy auch ihr einen der silbernen Kalender, den er seinen engsten politischen Vertrauten und Helfern nach den Ereignissen überreichte und in dem die dreizehn Tage im Oktober 1962 markiert waren.
Ihre Meinung zum Civil Rights Movement machte Jackie deutlich, indem der Kindergarten, den sie für Tochter Caroline gründete, »racially integrated« war. Ihr besonderes Interesse galt jedoch außenpolitischen Themen. So war es ihrem Drängen zu verdanken, dass Verteidigungsminister Robert McNamara Hilfsmittel in das von Erdbeben heimgesuchte Italien schickte. Mit ihrem persönlichen Einsatz und Überzeugungswillen brachte sie außerdem den Kongressabgeordneten John Rooney dazu, 10 Millionen Dollar für die Rettung der ägyptischen Pyramiden bei Abu Simbel bereitzustellen.
Ihr größter politischer Einfluss kam aber bei Auslandsbesuchen zutage. So unterstützten ihre Freundschaften mit verschiedenen Regierungschefs die amerikanischen Beziehungen zu diesen Ländern, unter anderem Frankreich, Indien, Pakistan oder England.
Der Präsident wusste über den Einfluss seiner Frau und schätzte ihre Hilfe besonders in Ländern, die er beispielsweise aus zeitlichen Gründen nicht selbst besuchen konnte. Auf Jackie Kennedys »Goodwill Tour« durch Indien und Pakistan 1962 begeisterte sie nicht nur, wie schon zuvor in Kanada und später in Südamerika, die Menschenmassen auch dank ihrer hervorragenden Sprachkenntnisse, sondern auch Indiens Premierminister Nehru. Dessen Beziehung zu John F. Kennedy war bei einem vorherigen USA-Besuch eher kühl gewesen. So half sie ihrem Mann in seinem Interesse Indien zu unterstützen und den Bund zwischen Ost und West zu stärken.
Einen ebensolchen positiven Einfluss übte sie auch auf Charles de Gaulle und Nikita Chruschtschow bei Besuchen der Kennedys 1961 in Frankreich und Russland aus. Durch ihre Französischkenntnisse und ihr Wissen über die französische Kultur fungierte sie nicht nur als Dolmetscher zwischen de Gaulle und ihrem Mann, sondern überzeugte den Staatschef auch, ihr das wohl berühmteste Gemälde der Welt – die »Mona Lisa« – als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Mit Chruschtschow hatte sie ebenfalls ein besseres Verhältnis als der Präsident und schrieb ihm noch nach JFKs Tod einen langen persönlichen Brief, in dem sie ihn um die Weiterführung des von der Sowjetunion und der USA eingeschlagenen politischen Weges bat. Ihre Beliebtheit, die exzellenten zwischenmenschlichen Fähigkeiten und ihr Sinn für den richtigen Ton in schriftlichen Nachrichten wurden so oft zu Brücken der Verständigung, die über eventuelle politische Differenzen hinwegreichen konnten.
Dass ihre politischen Fähigkeiten in Regierungskreisen nicht unbekannt waren, zeigte sich auch, als Lyndon B. Johnson ihr später, nach Kennedys Tod und seiner Vereidigung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, Botschafterposten in Frankreich und Mexiko anbot.
Eine der Sekretärinnen des Weißen Hauses, Letitia Baldrige, bemerkte später, dass das Unwissen über Mrs. Kennedys politischen Einfluss wahrscheinlich das »größte Versäumnis« bei der Imagedarstellung der First Lady in der Öffentlichkeit war. Um ein umfassenderes Bild über die Person zu erhalten, die Jacqueline Kennedy war, ist es wichtig, sich auch ihrer politischen Seite und ihres politischen Bewusstseins zu vergewissern.
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