Als John F. Kennedy im Januar 1961 sein Amt als Präsident antrat, ernannte er seinen Bruder Robert zum Justizminister. Zu Beginn in der Presse als Vetternwirtschaft kritisiert, sollte diese Entscheidung prägenden Einfluss auf die Politik und das Handeln der Kennedy-Administration haben, insbesondere im Bezug auf das Verhältnis der Regierung zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
Robert F. Kennedys erste Herausforderung im neuen Amt bot sich, als im Mai 1961 ein Bus der sogenannten FREEDOM RIDERS, einer Gruppe von Demonstranten, die durch die segregierten Staaten im Süden der USA fuhren, um für ihre Bürgerrechte zu demonstrieren, in Brand gesteckt und viele Insassen verletzt wurden. Kennedy stand der Form des Protests der FREEDOM RIDERS zu Beginn eher kritisch gegenüber, da er in ihm eine unnötige Provokation und mögliche Quelle der Eskalation sah. Für ihn zählte bei der Beurteilung der Lage als Justizminister jedoch zuallererst die Einhaltung des Gesetzes und jenes hatten die Demonstranten auf ihrer Seite. Kurz vor dem Zwischenfall sagte Robert F. Kennedy in einer Rede an der Georgia Law School: »We will not stand by or be aloof. We will move. I happen to believe that the 1954 Supreme Court school desegregation decision was right. But my belief does not matter. It is the law. Some of you may believe the decision was wrong. That does not matter. It is the law.«
Er ließ den Demonstranten Polizeischutz zur Seite stellen und sorgte dafür, dass diese sicher nach Montgomery, Alabama geleitet wurden. In der Stadt angekommen, verschwanden die Polizisten jedoch, und die Demonstranten sahen sich einem wütenden Mob ausgesetzt und wurden misshandelt. Als Martin Luther King danach eine Gedenkmesse für die Verletzten abhielt, drohte die Situation endgültig zu eskalieren. Nur das Eingreifen von 500 Bundespolizisten auf Kennedys Weisung konnte Blutvergießen verhindern.
Robert F. Kennedy war nach den Vorfällen in Alabama von dem Mut und Willen der Demonstranten beeindruckt. Nur um Aufmerksamkeit auf die ihnen entgegengebrachte Ungerechtigkeit zu lenken, setzten diese ihr Leben aufs Spiel. Die Reaktionen der Befürworter der Rassentrennung auf die Proteste der Bürgerrechtsbewegung im Süden, waren in den folgenden Monaten von fortwährender Gewalt geprägt, und die Regierung antwortete mit verstärktem Einsatz der Bundespolizei, um zum einen das Durchsetzen der Rechte und zum anderen den Schutz der Demonstranten zu gewährleisten. Im Mai 1962 antwortete Robert F. Kennedy in einem Interview auf die Frage nach der wichtigsten Aufgabe seines Ressorts mit »Bürgerrechte«. Es bedurfte allerdings noch weiterer Impulse, um ihn von der Notwendigkeit eines umfassenderen Handelns zu überzeugen.
Am 24. Mai 1963 lud Robert F. Kennedy Repräsentanten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung wie Harry Belafonte, Lena Horne oder James Baldwin zu einer Diskussion in sein Appartment. Die Abneigung und Enttäuschung, die ihm an diesem Abend entgegenschlug, verletzte Kennedy zutiefst. Er hatte geglaubt, dass die Politik der Regierung bei seinen Gästen wenn nicht auf Zustimmung, so doch auf Verständnis stoßen würde. Diese Annahme erwies sich als falsch. Nach diesem Abend setzte ein Umdenken bei ihm ein. Ob er einsah, dass die Bürgerrechtslage aus moralischen Gründen fundamental geändert werden müsse oder ob er eine politische Chance aufgrund der wachsenden Popularität der Bürgerrechtsbewegung sah, ist umstritten. Sicher ist, dass er im Folgenden eine zentrale Rolle spielte, seinen Bruder nachhaltig zu überzeugen, die Bürgerrechte zu einem Schwerpunkt seiner Agenda zu machen. Robert F. Kennedy ermutigte diesen gegen den Rat seiner übrigen Berater zu der jene Epoche bestimmenden Ansprache über die Bürgerrechte vom 11. Juni 1963, am selben Tag, an dem der Gouverneur Alabamas, George Wallace versuchte, zwei angehenden afroamerikanischen Studenten den Eintritt zur University of Alabama zu verweigern. Von nun an beschritt die Regierung einen neuen Kurs dessen Ziel es war, ein neues Bürgerrechtsgesetz zu verabschieden. Als im August 1963 Vertreter der Bürgerrechtsbewegung einen Marsch auf Washington planten, um ihrem Anliegen Ausdruck zu verleihen, war Robert F. Kennedy aus Angst vor einer Eskalation zuerst gegen eine derartige Massendemonstration. Er unterstützte den Marsch jedoch letztlich und damit auch die Veranstaltung, auf der Martin Luther King seine berühmte I HAVE A DREAM-REDE hielt und sich für die Unterstützung der geplanten Kennedy-Gesetzgebung einsetzte. Dieser Tag wurde somit auch ein Erfolg für die Regierung. Robert F. Kennedys Verhältnis zu King war allerdings ambivalent. Zuvor hatte er auf Bestreben des omnipotenten FBI-Chefs J. Edgar Hoover, der einen Umgang Kings mit Kommunisten vermutete, eine begrenzte Abhöraktion gegen diesen erlaubt. Eine Entscheidung, die auf Kennedy in späteren Jahren noch negativ zurückfallen sollte.
Durch den gewaltsamen Tod John F. Kennedys im November 1963 fielen die Bürgerrechtsgesetze, die seine Regierung auf den Weg gebracht hatte schlussendlich in die Amtszeit Lyndon B. Johnsons und mündeten in dessen GREAT SOCIETY PROGRAM. Bis zu seinem Verlassen der Regierung Johnsons im September 1964 hatte Robert F. Kennedy auch hier prägenden Einfluss auf die Gesetzgebung.
Im Rückblick legte Robert F. Kennedys Handeln im Ministerium das Fundament für seinen darauf folgenden intensiven Fokus auf den sozialen Ausgleich in seinem Amt als Senator von New York und seinen späteren Status als Hoffnungsträger der gesellschaftlichen Randgruppen. Hier begann seine Transformation vom dogmatischen Gesetzesverfechter zum Vordenker des Wandels, und der Auftakt für seine spätere Rezeption als GOOD BOBBY im liberalen Amerika.
MN