John F. Kennedy in der Kunst der 1960er-Jahre

Die Person John F. Kennedy diente vielen Künstlerinnern und Künstlern als Reflexionsfigur ihrer Zeit. Zahlreiche Werke der 1960er Jahre widmen sich dem Mann, der vielen seiner Zeitgenossen als Projektionsfläche für Wünsche und Hoffnungen für das Jahrzehnt diente.


Wahlkampfslogans propagierten 1960 den durch seinen jugendlichen Charme bestechenden Kennedy als »Mann für die 60er« und beschworen den Aufbruch in eine neue Zeit, die getragen von einer jungen Generation, die Kennedy verkörperte, ein besseres Amerika verheißen sollte.

 

Die neue Medienwelt, gekennzeichnet durch den Siegeszug des Fernsehers in die amerikanischen Haushalte und die in Magazinen massenhaft reproduzierten Pressephotographien, garantierte Kennedy maximale öffentliche Präsenz. Er avancierte zu einem politischen Star, dessen Strahlkraft sich auch viele Künstlerinnen und Künstler nicht entziehen konnten. Eine ähnliche Faszinationskraft ging auch von der First Lady, Jaqueline Kennedy, aus, die vor allem Andy Warhol in seinen Arbeiten verewigte. Einen Screenprint von einem dieser Werke, das 1966 entstandene Bild »Jaqueline Kennedy III«, stellt das Museum THE KENNEDYS aus.

 

Ein Generationenwechsel fand auch mit dem Vorstoß der Pioniere der Pop Art gegen das »introspektive Zeug« (Warhol) des Abstrakten Expressionismus statt. Die Etablierung der Pop Art als Kunstrichtung fiel somit mit der Ära Kennedys zusammen. Anstatt einer gesteigerten künstlerischen Subjektivität zu huldigen, besannen sie sich auf die Farb- und Formensprache der populären Erzeugnisse der Konsum- und Mediengesellschaft sowie auf die Welt der glanzvollen Stars und der ewigen Jugend. Der knallbunte Stil der Reklame, eine flächige und typisierte Gestaltung der Motive gehörte zu ihren Gestaltungsprinzipien. Sie nutzten Verfahren wie den Siebdruck oder die Collage, um die über die Massenmedien verbreiteten Bilder auf die Leinwand zu übertragen. Beide Verfahren garantierten, den expressiven Pinselduktus zu tilgen, den die Abstrakten Expressionisten als Gestus einer extremen künstlerischen Subjektivität bevorzugten.

 

Da John F. Kennedy für die Wohlstandsgesellschaft, aus der sich die Themen der Pop Art speisten, zu bürgen schien und er aufgrund seiner medialen Inszenierung zu einer Ikone der Populärkultur avancierte, stellte er für die Vertreter der Pop Art ein beliebtes Sujet dar.

 

James Rosenquists Gemälde »President Elect« etwa, 1960 bis 1961 entstanden, widmet sich in der Sprache der Werbung dem Präsidentschaftskandidaten Kennedy. Im Stil großformatiger Plakatwände, den Billboards, kombiniert das Gemälde das charismatische Gesicht mit dem Fragment eines zeitgenössischen Autos, das aufgrund seiner schematisierten Darstellung einer Werbeanzeige entnommen zu sein scheint. Genauso lässt das typisierte Gesicht des Kandidaten, für das ein weitverbreitetes Wahlkampfplakat als Vorlage diente, lediglich prägnante Züge des jugendlichen Politstars erkennen, die die Medienwelt der 1960er-Jahre bereits vor seiner Wahl in den Köpfen der Menschen verankerte. Überlagert werden beide Motive von zwei Frauenhänden, die ein Stück einer besonders reichhaltigen Schokoladentorte, der sogenannten »Devil’s food cake«, teilt. Der Schokoladenkuchen steht genauso wie das modische Fahrzeug für in der Werbung angepriesene Konsumgüter und das Versprechen, dass sich jeder diese leisten könne. Demnach erscheint Kennedy als eine Person, die das Versprechen, jeder könne ein Stück vom Kuchen der Wohlstandsgesellschaft abbekommen, erfüllen könne.

 

Ein weiterer Vertreter der Pop Art, der sich in mehreren in den 60ern entstandenen Arbeiten mit Kennedy beschäftigte, ist Robert Rauschenberg. Seine Collage »Retroactive I«, ein Jahr nach Kennedys gewaltsamen Tod entstanden, bedient sich Photographien aus Magazinen, die im Siebdruckverfahren, jeder Photographie eine eigene Farbe gebend, farbig auf die Leinwand aufgetragen wurden. Den Mittelpunkt bildet das Bild des mit einer entschlossenen Geste auftretenden Präsidenten, das während einer Fernsehsprache entstand und damit auf die allgegenwärtige mediale Präsenz des Präsidenten verweist. Die Photographie eines mit dem Fallschirm auf der Erde landenden Kosmonauten steht für das erfolgreiche Weltraumprogramm Kennedys und impliziert damit die Hoffnung, dass das Zukunftsweisende seiner Ära auch nach seinem Tod fortdauert.

 

Dagegen erscheint Rauschenbergs 1970 entstandene Collage »Signs« überschattet von Ereignissen des vergangenen Jahrzehnts und weist nicht mehr die Zuversicht des früheren Bildes auf. Das Profil eines ernsten, in sich gekehrten Kennedys wird von weiteren Ausschnitten aus Pressephotographien umgeben, die bedeutende Ereignisse wie die erste Mondlandung, den Vietnamkrieg und die Antikriegsbewegung aufrufen. Porträts von Martin Luther King und Robert Kennedy erinnern an den Verlust weiterer Hoffnungsträger der 60er, die einem Attentat zum Opfer fielen. Die Collage lässt sich als Rückblick auf ein Jahrzehnt verstehen, das viele Versprechen barg, die nur teilweise erfüllt wurden. Sie ruft John F. Kennedy als eine das Jahrzehnt prägende Person in Erinnerung und schreibt ihn wie viele andere Kunstwerke in das kollektive Bildgedächtnis ein.

 

SN