Der Besuch John F. Kennedys in West-Berlin am 26. Juni 1963 ist ein Meilenstein in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen und gilt bis heute als ein großer außenpolitischer Erfolg. Unvergessen ist der Tag, an dem der US-Präsident vor Hunderttausenden am Rathaus Schöneberg den Satz »Ich bin ein Berliner« verkündete – ein Appell an den Wert der Freiheit jener, die ihr Leben nicht in den Fängen eines kommunistischen Regimes bestreiten müssen: »Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen«, führte er in seiner Rede fort.
Gänzlich in den Hintergrund geraten jedoch oftmals die Umstände, die uns verstehen lassen, wie es vor fünfzig Jahren zu diesem bedeutsamen Ereignis kam. Der Weg bis zu jenem Berlin-Besuch Kennedys war nämlich in der Tat beschwerlich und erst wenige Monate zuvor stand fest, dass der Präsident Berlin im Rahmen seiner Europareise auch besuchen würde.
In den 1950er-Jahren kooperierten Bonn und Washington im Rahmen der Containment-Politik, die das Ziel verfolgte, den Kommunismus international einzudämmen. Die enge Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Staaten und den USA war für den amtierenden Bundeskanzler von großer Bedeutung. Insbesondere deshalb, weil die Vereinigten Staaten Deutschland einen atomaren Schutz gegenüber dem Ostblock gewähren konnten.
Mit dem Amtseintritt Kennedys 1961 kam es jedoch zu Veränderungen in der amerikanischen Politik. Kennedy orientierte sich neu am Konzept der Entspannungspolitik, die den Status quo Europas zu akzeptieren suchte und die tatkräftige Unterstützung der USA zur Forderung einer Wiedervereinigung schwächte. Zudem galt der Mauerbau 1961 in den Augen Kennedys nicht als Kriegsgrund. Daraus folgte, dass Adenauer befürchtete, die USA und die UdSSR könnten sich auf Kosten der Bundesrepublik einigen – der ausschlaggebende Punkt, weshalb die deutsch-amerikanische Beziehung zu dem Zeitpunkt abkühlte.
Der Besuch Präsident Kennedys wurde auch von der amerikanischen Presse zuvor mit Argwohn beäugt, da die Bundesrepublik sich mehr und mehr von ihren transatlantischen Bindungen zu lösen schien. Man solle abwarten, bis es zu einem Regierungswechsel in Deutschland käme, hieß es dort.
Der 87-jährige Kanzler Konrad Adenauer selbst wollte den Besuch Präsident John F. Kennedys in Berlin zunächst verhindern, da er befürchtete, dass SPD-Kanzlerkandidat und Regierende Bürgermeister Westberlins, Willy Brandt, die Gelegenheit nutzen könnte, sich zu profilieren. Brandt und Kennedy hatten tatsächlich politisch mehr gemein. Auch die Tatsache, dass Brandt im Vergleich zu Adenauer Englisch sprach, war von Vorteil. Hinzu kam, dass der Besuch eines amerikanischen Präsidenten in Berlin, als Staatsoberhaupt einer Besatzungsmacht, ein Präzedenzfall war. Aus diesem Grund mussten sich die Organisatoren des Berlin-Besuchs hinsichtlich des diplomatischen Protokolls komplett neu orientieren.
Doch trotz großer Herausforderungen bei der Planung des Besuchs und des Protokolls, waren die knappen acht Stunden, die Kennedy in Berlin verbrachte ein voller Erfolg und führten zu einem unerwarteten Massenspektakel. Jubel und Begeisterung im Zeichen der Freiheit und der Hoffnung bestimmten diesen denkwürdigen Tag. Vielleicht auch gerade deshalb, weil so viele Hürden zuvor gemeinsam überwunden wurden.
Den Besuch Präsident Kennedys in West-Berlin nannte Bürgermeister Brandt im Anschluss an Kennedys Rede einen Freundschaftsbeweis. Quellen belegen, dass Kennedy noch kurz vor seiner Ansprache vor dem Rathaus Schöneberg Änderungen an seiner Rede vornahm. Er sei inspiriert worden, von den Berlinern, die ihm während seines Triumphzuges zugejubelt hatten und von Schauplätzen, die den Ost-West-Konflikt in aller Deutlichkeit darstellten: die Berliner Mauer sowie der Checkpoint Charlie, der Ort an dem sich 1961 sowjetische und amerikanische Panzer gegenüber gestanden hatten.
Kennedy schaffte es an diesem Tag, den Bewohnern Westberlins Zuversicht und Anteilnahme entgegen zu bringen. Mit den Worten »Ich bin ein Berliner« zählte sich Kennedy zu dieser Schicksalsgemeinschaft und vermittelte der Bevölkerung West-Berlins ein Gefühl der Verbundenheit, wie kein anderer Präsident der Vereinigten Staaten zuvor.
AL