John F. Kennedy und die Bürgerrechtsbewegung der frühen 1960er-Jahre

»Könnt ihr glauben, dass dieser weiße Mann sich nicht nur der Herausforderung gestellt, sondern unsere Erwartungen an ihn weit übertroffen hat!« Dies war die enthusiastische Reaktion des berühmten Bürgerrechtlers Martin Luther King, Jr. auf Kennedys flammende Bürgerrechtsrede vom 11. Juni 1963. Mit jener Rede hatte Kennedy der ganzen Nation signalisiert, dass die Bürgerrechtsproteste der letzten Jahre ihn dazu bewogen hatten, sich mit mehr Elan für die Gleichstellung der afroamerikanischen Minderheit einzusetzen.


Sein Bürgerrechtsengagement hatte einige Jahre zuvor begonnen, als er sich 1960 in den innerparteilichen Vorwahlen gegen Senator Hubert Humphrey, einen prominenten Verfechter der Bürgerrechtler, hatte durchsetzen müssen. Wenig später wurde Martin Luther King, Jr. im Zuge eines Sitzstreiks in Atlanta verhaftet. Kennedy drückte sein Beileid durch einen Anruf bei Kings Ehefrau aus und arrangierte durch seinen Bruder und Anwalt, Robert Kennedy, Kings baldige Freilassung. Somit positionierte sich der junge Senator als Liebling der afroamerikanischen Wähler, deren Stimmen ihm zu einem knappen Präsidentschaftswahlsieg über den Republikaner Richard Nixon verhalfen.

 

Da Kennedy mit nur 112.827 Stimmen gewonnen hatte, konnte er es sich daraufhin nicht leisten, sich politisch von den mächtigen demokratischen Senatoren aus den Südstaaten zu entfremden und konnte daher zunächst wenig Konkretes für die Bürgerrechtsbewegung bewirken. Dies änderte sich, als kurz nach seinem Amtsantritt die »Freedom Rides« ihren Anfang nahmen. Gruppen schwarzer und weißer Studenten fuhren mit Überlandbussen durch den tiefen Süden, um die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, dass die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln verfassungswidrig sei, zu testen. Die Aktion beschwor in Anniston und Birmingham so viel Zorn herauf, dass die Busse von blutrünstigen Mobs angegriffen und mit Brandbomben zerstört wurden. Nun lastete auf dem Präsidenten sowie auf seinem Bruder Robert, der inzwischen zum Justizminister ernannt worden war, ein enormer Druck, das Blutbad zu beenden. Tatsächlich gelang es ihnen auch, den Gouverneur von Alabama zu überreden, den Freedom Riders nach Montgomery Polizeigeleit zu gewähren. Dieses verschwand jedoch einige Kilometer vor Montgomery, wo die Freedom Riders abermals einem Mob zum Opfer fielen. Letztlich ging Mississippis Gouverneur mit der Regierung einen Kompromiss ein: Sobald die Studenten seinen Staat erreichen würden, werde er sie zwar in Hochsicherheitsgefängnissen festhalten, doch dort ihr körperliches Wohlbefinden garantieren. Mit diesem Übereinkommen verhinderten die Kennedys eine Ausuferung der Gewalt. Zudem hatten sie gelernt, dass die Protestaktionen der 1960er direkteres Eingreifen erforderten, als die Rechtsverfahren der 1950er.

 

Diese Lektion kam ihnen im nächsten Jahr zu Gute, denn James Meredith, ein schwarzer Student, beschloss, sich an der traditionell weißen Universität von Mississippi einzuschreiben. Nachdem Gouverneur Barnett ihm zunächst höchstpersönlich die Immatrikulation verweigert hatte, reagierte Robert Kennedy mit Taten auf das Ereignis: Er sandte mehrere Justizvollzugsbeamte an die Universität, um Meredith sicheres Geleit zu seinem Studentenwohnheim zu geben. Daraufhin brach in der Universitätsstadt prompt ein Volksaufruhr aus, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Schließlich beorderte Kennedy 23.000 Truppen in die Stadt, um den Aufruhr zu beenden – was ihnen auch bald gelang. Dies war das erste Mal seit dem Little-Rock-Aufstand im Jahr 1957, dass Truppen im Zuge eines Bürgerrechtsdisputs eingesetzt worden waren. Kennedy stand somit seinem Vorgänger Eisenhower in Sachen Bürgerrechtsengagement nun in nichts mehr nach.

 

1963 erzielte die Bürgerrechtsbewegung dann mehrere bedeutende Medienerfolge, die sie nicht zuletzt Kennedy zu verdanken hatten. Beispielsweise beteiligten sich im Mai Kinder und Jugendliche zu Hunderten an den bedeutenden Protesten in Birmingham, welche als die am rigorosesten nach Rassen getrennte Großstadt der USA galt. Jedoch wurden die jungen Protestierenden sogleich mit Polizeihunden und Hochdruckschläuchen angegriffen. Als Kennedy daraufhin ein Photo sah, auf welchem sich ein Schäferhund auf einen von Angst erfassten schwarzen Jungen stürzte, rief er entsetzt aus: »Ich bin zutiefst empört!« Als noch dazu im Juni die Aufnahme zweier schwarzer Studenten an die Universität von Alabama die Südstaatler erzürnte, entschloss sich Kennedy, eine Rede zur Unterstützung der Bürgerrechtler zu halten.

 

Am 11. Juni 1963 schließlich also beschrieb Kennedy die Bürgerrechtsbewegung vor Millionen von Fernsehzuschauern mit klaren Worten: «Wir werden mit einem Problem konfrontiert, das primär moralischer Natur ist. Es ist so alt wie die Heiligen Schriften und so verständlich wie die Amerikanische Verfassung.« So unmissverständlich war die Unterstützung eines US-Präsidenten für die Bürgerrechtsbewegung noch nie zuvor ausgedrückt worden. Kings Enthusiasmus wurde von vielen Afroamerikanern geteilt.

 

In den folgenden Monaten setzte sich Kennedy entschlossen für die Verabschiedung seines Bürgerrechtsgesetzesvorschlags ein, den er der Öffentlichkeit erstmals in seiner Ansprache vom 11. Juni vorgestellt hatte. Der berühmte Marsch auf Washington vom 28. August 1963 nahm es sich zum Ziel, Aufmerksamkeit und Unterstützung für diesen Gesetzesvorschlag zu gewinnen. Trotz anfänglicher Bedenken, unterstützten die Kennedy-Brüder den Marsch. Doch nur drei Monate später wurde John F. Kennedy in Dallas erschossen und Vizepräsident Lyndon Johnson übernahm das Amt. Johnson brach letztendlich ein 54-tägiges Filibuster der Südstaatensenatoren, indem er sich auf das Andenken Kennedys berief. Der Civil Rights Act von 1964 leistete seit der Emanzipationserklärung den größten Beitrag zur Gleichstellung der Afroamerikaner. Das Gesetz, für welches Kennedy sich in den letzten Monaten seines Lebens so vehement eingesetzt hatte, machte seinem Bürgerrechtsengagement posthum alle Ehre.

 

Luisa Hulsrøj