Rose Kennedy: Porträt einer Mutter

Wer verstehen möchte, was John F. Kennedy und seine Brüder zu dem gemacht hat was sie waren, muss sich zwangsläufig mit dem Einfluss der Mutter Rose auf ihre Sprösslinge befassen. Denn sowohl ihre Ehe zu Vater Joseph, als auch ihr eigenes Bewusstsein von Erziehung und Karriere dürfen in ihrer Auswirkung nicht unterschätzt werden.

 

Für Rose, geboren am 22. Juli 1890, stand mit der Erziehung ihrer Kinder viel auf dem Spiel. Als Lieblingskind des ehemaligen Bostoner Bürgermeisters John »Honey Fitz« Fitzgerald gehörte sie zur High Society der Stadt und genoss schon früh die Vorzüge eines privilegierten Lebens. Da ihre Mutter des ganzen politischen Rummels um ihren Mann schnell müde wurde, war es oft die junge Rose, die ihren Vater zu Banketts und Staatsbesuchen begleitete.

 

Schon mit sechzehn Jahren lernte sie Joseph Kennedy lernen und lieben. Doch ihr Vater wehrte sich gegen eine Heirat seiner Tochter mit dem gesellschaftlich geringer gestellten Mann. Erst als sich Kennedy als junger Bankier über die Bostoner Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht hatte, willigte Fitzgerald 1914 zögerlich ein. Ein Jahr später kam der erste Sohn, Joseph Patrick Jr., zur Welt – 1917 folgte Jack. Für Rose bedeutete das einen radikalen Wandel ihrer Lebensweise – vom gesellschaftlichen Leben ihrer Jugend musste sie sich weitestgehend verabschieden. Den Besuch des hoch angesehenen Wellesley College hatte ihr der Vater damals verwehrt und schickte sie stattdessen auf zahlreiche katholische Eliteschulen. Jetzt sollten ihre Kinder ihre einzige Errungenschaft bleiben und ihr ein Denkmal setzen.

 

Mütterliche Herzlichkeit war nicht ihre Priorität, denn Rose wollte ihre Kinder nicht verhätscheln. Sie sollten zwar alle Vorzüge des Lebens in einer der reichsten Familien Amerikas genießen, aber sie sollten auch lernen, für ihren eigenen Erfolg hart zu arbeiten. Die gesamte frühkindliche Erziehung gestaltete sie daher nach einem Buch des amerikanischen Kinderarztes L. Emmet Holt, welcher ein großes Maß an Zuneigung und körperlicher Nähe für kontraproduktiv hielt. Als Rose außerdem 1918 die geistig leicht eingeschränkte Rosemary zur Welt brachte – deren genaue geistige Verfassung bis heute ungeklärt ist – und sich hauptsächlich ihrer Pflege widmete, blieb wenig Zeit für die beiden Söhne. Das war vor allem für den jungen Jack nicht einfach. Als Zweitgeborener unterlag er seinem großen Bruder stets in Körperkraft und schulischem Erfolg. Zudem war er ein überaus kränkliches Kind und verbrachte oft ganze Wochen und Monate im Bett. Dies wiederum brachte ihm dann doch Zuneigung der Mutter ein, denn Rose wollte ihre Kinder zu Stehaufmännchen erziehen, und es erfüllte sie mit Stolz zu sehen, dass Jack sich von seinen Krankheiten nie unterkriegen ließ.

 

Trotzdem war Jack in seiner Kindheit oft unzufrieden und renitent. Es missfiel ihm, dass Rose die Kinder von konventionellen Büchern und Spielzeug fernhielt und sie stattdessen zur Bildung motivierte. Aber sein großes Problem war fehlende Zuneigung, was nicht zuletzt an der oftmals schwierigen Beziehung seiner Eltern lag. Da sich Rose im Familienleben zunehmend unwohler fühlte, traf sie mit ihrem Mann einige Abmachungen: Um sie von ihren häuslichen Pflichten zu entlasten, verreiste sie häufig und ließ die Kinder in der Obhut ihres Mannes. In den 1930er-Jahren überquerte sie allein siebzehn Mal den Atlantik. Auch dies war für Jack wieder besonders hart. Als seine Mutter zu einer ausgedehnten Reise nach Kalifornien aufbrach rief er schließlich aus: »Oh, was bist du nur für eine Mutter, du verreist und lässt deine Kinder allein.«

 

Auch wenn Rose nicht unbedingt als liebevolle Mutter in Erinnerung bleiben wird, so trug ihre strenge Erziehung doch Früchte. Abgesehen von Joe Jr., dessen Leben 1944 ein tragisches Ende fand, schafften es alle ihre Söhne in hohe und sogar höchste politische Ämter. Doch obwohl sie ihrer Mutter alle viel zu verdanken hatten, litten sie – und vor allem Jack – zeitlebens unter der mangelnden mütterlichen Wärme.

 

Maximilian Klose