»Mein Bruder und ich« – Die besondere Beziehung John F. Kennedys zu seinem Bruder

Unter dem Titel »Kennedy for President« beginnt 1960 eine Wahlkampfkampagne, von der nicht nur der Historiker Robert Dallek das hohe Maß an Professionalität und die beeindruckende Organisation betont. Robert F. Kennedy verleiht der Kampagne, was zwei Journalisten mit »organization, organization, and more organization« betiteln. Als Manager der Kampagne schafft er es, Kennedys Schwachstellen im bevorstehenden Wahlkampf, wie beispielsweise seine Konfession, das junge Alter des Kandidaten und seine fehlende Regierungserfahrung in den Hintergrund zu stellen und seine enorme Ausstrahlung, seine Erfahrung mit der Kamera und sein gekonntes Auftreten im Fernsehen in den Fokus zu rücken. Im Zuge der Präsidentschaftskampagne wird ein Bild des jungen John F. Kennedy gezeichnet und befördert, was medial wirksam und überzeugend ist. Kennedy selbst fasst die Beziehung zu seinem Bruder und dessen Arbeit mit den Worten »um Organisation kümmere ich mich überhaupt nicht, ich brauche mich nur den Leuten zu zeigen« treffend zusammen.

 

Doch nicht nur Präsident John F. Kennedy ist nach seiner Vereidigung mit Vorwürfen und Kritik konfrontiert. Robert Kennedy wird nach der Ernennung durch seinen Bruder der bis dahin jüngste Generalstaatsanwalt und Justizminister der Vereinigten Staaten. Er ist der juristische Chefberater des Präsidenten und wacht insbesondere, unterstützt von Bundesgerichten und Behörden, über die Beseitigung der Rassenschranken. Bedenken räumen nicht nur Rechtsprofessoren ein, auch die New York Times erhebt den Vorwurf, RFK habe nicht ausreichend an Erfahrung gesammelt, um ihn für einen Posten wie den des Justizministers zu ernennen.

 

Insbesondere nach der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht 1961 wird Roberts Rolle während der Präsidentschaft seines Bruders deutlich. Er wird John F. Kennedys wichtigster Vertrauter und außenpolitischer Berater. Wie bereits durch den erfolgreichen Wahlkampf demonstriert, ist Robert Kennedys Krisenmanagement von unschätzbarem Wert für den Präsidenten. Robert Kennedy, der auch für seinen Tatendrang und sein resolutes Vorgehen bekannt ist, spricht sich während der heiklen Phase der Kubakrise gemeinsam mit seinem Bruder für eine friedliche Lösung und besonnene Handlungsweise aus. Die Kubakrise, aus der Kennedy als »Sieger«, zumindest unter den Amerikanern, hervorgeht, wie der deutliche Anstieg der Zustimmung unter der Bevölkerung zeigt, macht auch Robert Kennedy zu einem festen Bestandteil seiner politischer Entscheidungen. In der New York Times heißt es dazu: »Es mag keinen Titel für seinen Job geben, aber Bobby Kennedy ist dem Posten eines Hilfspräsidenten viel näher gekommen, als es Sherman Adams jemals unter Dwight Eisenhower gelungen ist.«

 

Die Rolle der beiden Brüder in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung lässt sowohl Parallelen als auch differenzierte Herangehensweisen erkennen. Im Zusammenhang mit John F. Kennedy reichen die Interpretationen vom ewigen Zögerling hin bis zu Kennedy als Hoffnungsträger der Bürgerrechtsbewegung. Er setzt sich für die Bürgerrechtsgesetze 1957 ein und spricht sich öffentlich gegen jegliche Rassendiskriminierung aus. Als Präsidentschaftskandidat hat er jedoch eine schwierige Position inne: einerseits ist Kennedy auf die Gunst der konservativen Wähler angewiesen, ebenso auf die der zum Teil noch deutlich rassistischen Kongressmitglieder. Andererseits sieht sich Kennedy in den nächsten Jahren mit einer immer drängenderen Bürgerrechtsbewegung, allen voran Martin Luther King, konfrontiert. Nachdem King 1960 zu Zwangsarbeiten im Straßenbau verurteilt wird, ist es Robert Kennedy, der sich bei dem zuständigen Richter für die Freilassung Kings einsetzt und diese auch bewirkt. Als Justizminister kann Robert Kennedy entschiedener vorgehen. Er spricht sich beispielsweise gegen die Einschränkung des Wahlrechts für Schwarze aus. Doch auch Robert hat mit den Schranken der Diplomatie zu kämpfen: Er ist gezwungen im Süden der Vereinigten Staaten Bundesrichter zu ernennen, die mit ihrer rassistischen Politik über Jahre die Gleichberechtigungsbewegung blockierten.

 

Im Unterschied zu seinem Bruder John wird Robert als papsttreuer, Bostoner Puritaner beschrieben. Robert Kennedy lebt nach dem Credo harter Arbeit, bis zu Grenze seiner Fähigkeiten vorwärts zu streben und sich seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft vollends bewusst zu sein. Sein Vater Joseph vergleicht die beiden Brüder mit dem Satz »Jack arbeitet so hart, wie es ein sterblicher Mensch nur kann. Aber Bobby geht noch etwas weiter.« In dem Familiengefüge und auch in der Beziehung zu seinem Bruder findet Robert Kennedy seine Rolle als Beschützer und loyaler, vertrauenswürdiger Berater.

 

Simone Treiber