Amerika – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Seit über zwei Jahrhunderten strömen Einwanderer aus der ganzen Welt ins Land. Trotz politischer Kontroversen in jüngerer Zeit, hat sich dies
bis heute nicht geändert, denn die Anziehungskraft des American Dream hat noch immer nicht an seiner Wirkung verloren.
Mit der Entdeckung der Neuen Welt wuchs bei vielen Menschen die Hoffnung auf ein neues Leben mit grenzenlosen Ressourcen und Möglichkeiten. Diese Hoffnung kann als Nährboden für die Idee des American Dream bezeichnet werden. Dessen Grundsätze wurden 1776 sogar mit dem Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück für jeden Bürger gleichermaßen in der Unabhängigkeitserklärung festgelegt.
Der Begriff American Dream wurde jedoch erstmals im Jahre 1931 von dem US-amerikanischen Schriftsteller und Historiker James Truslow Adams geprägt. In seinem Werk »The Epic of Amerika« definiert
er den amerikanischen Traum so, wie er bis heute tradiert ist: Aufstieg, Erfolg und materieller Wohlstand für jedermann, ungeachtet des Geschlechts und der sozialen wie ethnischen Herkunft. Diese
Möglichkeiten bietet das Land jedem Individuum, das nur hart genug arbeitet und seinen Zielen mit größtmöglicher Entschlossenheit entgegenstrebt, so der Glaube. Vor diesem Hintergrund erklärt
sich auch die von vielen als für Amerikaner typisch empfundene »Go for it«-Einstellung und macht deutlich, dass die Idee des American Dream nicht nur in das kollektive Gedächtnis der US-Bürger,
sondern in das der ganzen Welt eingegangen ist.
Es verwundert daher nicht, dass der amerikanische Traum immer wieder auch in politischen Reden auftaucht. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Antrittsrede John F. Kennedys aus dem Jahre 1961. In
seiner nur 1.355 Wörter umfassenden Rede appelliert der Präsident an das kollektive Gedächtnis seines Volkes und lässt eine idealistische Vision des American Dream in dessen Köpfen auferstehen.
Das Grundrecht auf Gleichheit setzt er bei seinem Publikum voraus. Um auch die Unterschiede in der politischen Gesinnung seiner Zuhörer zu verwischen, betont er: »We observe today not a victory
of party but a celebration of freedom – symbolizing an end as well as a beginning – signifying renewal as well as change.« Auf diese Weise gelingt es Kennedy, Differenzen in den Hintergrund und
den gemeinsamen Wunsch des Volkes nach Freiheit in den Vordergrund zu rücken. Das Volk wird durch diese Strategie nicht länger aufgeteilt in Demokraten und Republikaner, vielmehr wird dessen
Einheit herausgestellt. Gleichzeitig unterstreicht Kennedy die Aspekte der Erneuerung und der Veränderung. Auch verweist er seine Zuhörer wiederholt auf ihr gemeinsames Erbe, indem er sich selbst
und sein Volk als »heirs of that first revolution« bezeichnet.
In weniger als 15 Minuten gelingt es Kennedy, eine leuchtende Vision von Freiheit und Frieden zu schaffen und außerdem, die wichtige Rolle des Individuums zu betonen, um diese Vision zu
verwirklichen: »In your hands, my fellow citizens, more than mine, will rest the final success or failure of our course.« Durch rhetorische Fragen spricht er jeden Zuhörer individuell und direkt
an und fordert ihn auf, Teil seiner Friedensmission zu werden: »Will you join in that historic effort?«
Dem passiven, subversiven Charakter des Kommunismus setzt Kennedy den moralisch überlegenen Westen entgegen. Die Aufgabe eines Jeden besteht laut ihm deshalb darin, die westlichen Werte von
Frieden und Demokratie in der ganzen Welt zu verbreiten:
»To those people in the huts and villages of half the globe struggling to break the bonds of mass misery, we pledge our best efforts to help them help themselves, for whatever period is
required--not because the communists may be doing it, not because we seek their votes, but because it is right. If a free society cannot help the many who are poor, it cannot save the few who are
rich.«
Kennedys Zukunftsvision ist somit nicht nur eine Vision von Frieden, sondern vor allem eine Vision von zwei sich feindlich gegenüberstehenden Mächten. Aus diesem Grund bezeichnet er die auf ihn
und seine Mitbürger zukommende Zeit auch als »burden of a long twilight struggle«, die jedoch dann zu überstehen ist, wenn sich nicht nur der Staat, sondern jeder Einzelne mit größter
Entschlossenheit beteiligt. Gegen Ende der Rede folgen daher seine berühmt gewordenen Worte: »Ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country.«
Es gelingt dem jungen Präsidenten nicht nur, eine Vision von Freiheit und Frieden zu definieren. Vielmehr schafft er es, durch die Einflechtung der durch den American Dream verkörperten Werte von
Neuerung, Tatkraft und Streben nach Erfolg, in jedem Einzelnen den Willen zum Dienst an der Allgemeinheit zu entfachen. Obwohl der Aufbau von Kennedys Antrittsrede in der Tradition seiner
Vorgänger steht, wird sie aus diesem Grund jedoch von Laien wie von Experten als außergewöhnlich in ihrer Wirkungskraft beschrieben und wird damit wohl weiterhin zu den größten Reden in der
Geschichte der USA zählen.
Nadja Brandt