Der Schaukelstuhl

Jackie Kennedys berühmte Restaurierungsmaßnahmen des Weißen Hauses endeten mit einer im Fernsehen übertragenen Führung durch die in neuem Glanz erstrahlten Räumlichkeiten. Der Einblick in die Innenausstattung des Weißen Hauses, der während der »Tour of the White House with Mrs. John F. Kennedy« gewährt wurde, beeindrucke ganz Amerika nachhaltig und wurde Teil der Inszenierung der Präsidentenfamilie. Die Einrichtung wurde wie eine Theaterkulisse verwendet und rundete das sorgfältig choreographierte Image der jungen Familie ab. Auch die gelungene Inszenierung der Familie durch Fotografen, hinterließ einen bleibenden Eindruck bei der Bevölkerung und machte neben Modeaccessiores wie dem Pill-Box-Hut von Jackie Kennedy auch ein Möbelstück berühmt, das noch zu Kennedys Lebzeiten zum Kultobjekt avencieren sollte: der Schaukelstuhl.

Der Präsident, der unter chronischen Rückenschmerzen litt, konnte lange Sitzungen und Interviews nur mit Hilfe seines Schaukelstuhls halbwegs schmerzfrei überstehen (Erfahren Sie mehr über Kennedys Krankheitsgeschichte im Blogeintrag: JFK, der Dauerpatient). Eine Ärztin hatte ihm den Stuhl für längeres Sitzen empfohlen, und er war dem Rat dankbar gefolgt. Bald schon war der junge Politiker im Besitz unzähliger Schaukelstühle – einer von ihnen gehörte zur Ausstattung der Air Force One und ermöglichte Kennedy auch in der Luft ein halbwegs bequemes Sitzen. Sein Rückleiden, das man während des Wahlkampfes medienwirksam auf eine Kriegsverletzung zurückgeführt hatte, war den Amerikanern bekannt und so wurde die vermeintliche Schwäche durch ein Möbelstück charmant in Szene gesetzt. 1960 hatte Kennedy auf die Frage eines Journalisten, ob er seinen Schaukelstuhl mit ins Weiße Haus nehmen würde, geantwortet: »Falls ich hingehe, geht er mit.«

 

Der Schaukelstuhl wurde zu Kennedys Markenzeichen: Ein Ölportrait der Künstlerin, Elaine de Kooning sowie unzählige Fotos zeigen den Präsidenten im Schaukelstuhl sitzend. Kennedys Liebe zu Schaukelstühlen war bald so bekannt, dass er Schaukelstuhlminiaturen von seinen Wählern oder Freunden geschenkt bekam. Ein personalisiertes Model überreichte ihm beispielsweise Frank Sinatra, der den jungen Senator im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt hatte.

Kennedy war jedoch nicht der erste Präsident, der einen Schaukelstühle im Weiße Haus bevorzugte. Seine Vorgänger, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln, waren beide ebenfalls von der Bequemlichkeit der Stühle überzeugt. Und Kennedy sollte nicht der letzte Fan bleiben: Auch Ronald Reagan nutze während seiner Präsidentschaft in den 1980er-Jahren gerne Schaukelstühle.

Um zu verstehen, in welchem Umfang Alltagsgegenstände, wie beispielsweise ein Schaukelstuhl, gar einen politischen Beitrag leisten konnten, lässt sich ein Brief des Psychologen John P. Kidahl an John F. Kennedy als Beispiel heranziehen: Noch im ersten Monat von Kennedys Präsidentschaft empfahl der Wissenschaftler, die Sitzhöhe des Schaukelstuhls zu verringern. Denn diese war höher als die des Sofas auf dem die Gäste im Oval Office gewöhnlich Platz nahmen. Somit waren die Besucher gezwungen, aufzublicken, um den Präsidenten anzusehen. Um das Gefühl eines Gespräches auf Augenhöhe hervorzurufen, empfahl Kidahl daher, die Sitzhöhe des Schaukelstuhls anzupassen. Interessanterweise wurde diese Empfehlung jedoch nicht umgesetzt. Im Gegenteil: Man zog es stattdessen nämlich vor, den Präsidenten in überlegener Position zu platzieren, um Überlegenheit zu demonstrieren.

Das Markenzeichen des Präsidenten war damals also ein sorgfältig angepasstes Möbelstück, das bis heute an ihn erinnert. Nach seinem Tod benannte man das Lieblingsmodel Kennedys zu seinen Ehren in »Kennedy Rocker« um. Und so ist der berühmte Schaukelstuhl aus dem Oval Office eine der großen Attraktionen in der Museumsausstellung der John F. Kennedy Presidential Library and Museum in Boston.

 

Luiza Rohowska

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Kommentare: 1
  • #1

    mark westgarth (Sonntag, 22 November 2015 16:24)

    Well Done Luiza!....Great to see one of our UK (Leeds University) students doing so well.