President Kennedy’s Blues

Das Attentat auf John Fitzgerald Kennedy am 22. November 1963 erschütterte eine Nation in ihren Grundfesten. Das Land hatte einen Präsidenten verloren, der nicht nur den amerikanischen Traum personifizierte, sondern zudem ein geeintes Amerika forderte, in dem Gleichberechtigung herrschen sollte. Sein Engagement für eine Gleichstellung der Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten ließ ihn zu einem Symbol der Bürgerrechtsbewegung werden. Zahlreiche Künstler der afroamerikanischen Bevölkerung zollten Kennedy in den Tagen und Wochen nach seiner Ermordung ihren Respekt. Sie schufen ihm musikalische Denkmäler, die die Erinnerung an ihn nachhaltig prägten.

In seinem Buch Kennedy’s Blues: African-American Blues and Gospel Songs on JFK, beschäftigt sich der Historiker Guido van Rijn mit den Stimmen der schwarzen Bevölkerung vor, während und insbesondere nach der Präsidentschaft John F. Kennedys. Seit jeher waren Blues und Gospel für die afroamerikanische Gesellschaft mehr als nur bloße Unterhaltung. In schweren Zeiten spendete das kulturhistorisch gewachsene Erbe der »Working Songs« aus dem Mississippi Delta Hoffnung und Trost. Zudem wurden Blues und Gospel ein Sprachrohr für die Forderungen nach Gleichberechtigung und um direkte und indirekte Kritik am politischen System zu üben. Insbesondere in der hochpolitischen Zeit der Bürgerrechtsbewegung, die ihren Zenit in der Präsidentschaft Kennedys erreichte, erfuhr diese Ausdrucksform ihre Renaissance. Künstler thematisierten in ihren Songs die Gedanken und Emotionen der schwarzen Bevölkerung Amerikas. Es entstanden Stücke über die Bürgerrechtsbewegung, den Wettlauf ins All und auch über die Person John F. Kennedy.

 

Bereits in seiner Kampagne zur Präsidentschaftswahl erhielt Kennedy großen Zuspruch von Seiten der afroamerikanischen Bevölkerung. Die »New Frontier«-Politik des charismatischen Präsidentschaftskandidaten weckte in vielen Bürgerrechtlern die Hoffnung auf ein neues und gerechtes Amerika. Künstler wie Mahalia Jackson und Nat King Cole unterstützten ihn in der heißen Wahlkampfphase 1960.  Der Wahlsieg Kennedys wurde in Titeln wie »The Big Race« von Memphis Slim zelebriert. Inhaltlich bezieht sich dieser auf das Engagement Kennedys für die Bürgerrechtsbewegung und repräsentiert damit die Hoffnungen der schwarzen Gemeinschaft in den jungen Demokraten. Diese Hoffnungen wurden durch den symbolträchtigen Auftritt der afroamerikanischen Opernsängerin Marian Anderson zu seiner Amtseinführung 1961 zusätzlich verstärkt. Die Nähe und Zuneigung, die dem Präsidenten und seiner Familie in der Öffentlichkeit entgegengebracht wurde, drückt sich in Songs wie Lula Reeds und Freddy Kings »Do the President Twist« aus: »John, Jackie and the baby too; they can do it, so can you«.


Auch der für seine politischen Texte bekannte Sänger »Champion« Jack Dupree äußert sich in seinem im Oktober 1961 erschienen Stück »President Kennedy’s Blues«, optimistisch über die Präsidentschaft Kennedys. Seiner Meinung nach würde der junge und friedensstiftende Präsident in der Lage sein, die Konflikte des Kalten Krieges zu beenden, um diese in einen friedlichen Wettstreit um das Weltall übergehen zu lassen. Einige politische Entscheidungen, beispielweise die Aufstockung des Militärs in der Krise des Mauerbaus 1961, wurden von Künstlern wie Wilbert Harrison in seinem Song »Drafted« kritisch thematisiert. Eine Vielzahl afroamerikanischer Blues-Musiker sprach sich den Beschlüssen des Präsidenten gegenüber jedoch positiv aus. So rief Bo Diddley mit seinem Song »Mr. Khrushchev« zur Unterstützung Kennedys und zur Einheit der Nation gegen den äußeren Feind auf. »JFK can't do it by his self; C'mon fellas, let's give him a little help«.

 

Die Meldung über das Attentat auf den Präsidenten im November 1963 schockierte die Nation. Unzählige Künstler setzten Kennedy in den Folgetagen durch ihre Stücke ein Denkmal und prägten so das posthume Bild des Präsidenten nachhaltig. Titel wie »The Day the World Stood Still (Sensational Six of Birmingham), »Tribute to a Great President« (Birds of Harmony) und »Our Prayer for Peace« (Dixie Hummingbirds) drücken den Schmerz und die Anteilnahme der schwarzen Bevölkerung aus und trugen zur Mystifizierung Kennedys als Kämpfer für die Menschen- und Bürgerrechte der afroamerikanischen Bevölkerung bei. Insbesondere der Song »In the Summer of His Years«, geschrieben von Herb Kretzmer und David Lee, fängt in seiner Darbietung durch Mahalia Jackson die Emotionen dieses verhängnisvollen Tages im November 1963 ein: »Yes the heart of the world weighted heavy, with the helplessness of tears; For the man cut down in a Texas town, in the summer of his years.« 
 
Fabian Wähner