Notruf im Südpazifik: der Untergang der PT-109

Pazifischer Ozean, Salomon-Inseln, 2. August 1943, 2 Uhr nachts: zwölf Soldaten der US-Navy fahren auf dem 24 Meter langen Torpedo-Boot PT-109 durch die Dunkelheit. Der Auftrag des kleinen Schiffs: das Versenken von japanischen Transportschiffen. Plötzlich bemerkt die Besatzung, dass sie sich in unmittelbarer Nähe eines japanischen Zerstörers befindet. Eine Kollision ist unabwendbar. Nur wenige Augenblicke später treibt die Mannschaft im dunklen Ozean. Nun liegt es am Kommandanten des Bootes seine Mannschaft zu retten. Sein Name: Junioroffizier John F. Kennedy.

 

John F. Kennedy in der Uniform der US-Navy, 1942 · Bildnachweis: John F. Kennedy Presidential Library & Museum, Boston
John F. Kennedy in der Uniform der US-Navy, 1942 · Bildnachweis: John F. Kennedy Presidential Library & Museum, Boston

Der Einsatz im 2. Weltkrieg stellte die Weichen für John F. Kennedys politische Karriere. Aus diesem Grund nimmt der Artikel den Jahrestag des Untergangs der PT-109 zum Anlass, um auf jenes entscheidende Ereignis zurückzublicken!

 

Obwohl er sich 1941 freiwillig für den Einsatz meldet, verläuft John F. Kennedys Eintritt in die US-Navy keineswegs geradlinig. Seine chronischen Rückenprobleme machen eine Aufnahme ins Militär eigentlich unmöglich – kann er doch nicht einmal eine Lebensversicherung abschließen. Und so bedarf es der Hilfe seines einflussreichen Vaters, Joseph P. Kennedy, dem damals 24-jährigen Kennedy eine Position im Marinenachrichtendienst in Washington, D.C. und später in Charleston, South Carolina zu verschaffen. Kennedy fühlt sich jedoch zu Höherem als einem Bürojob berufen und er bemüht sich um die Aufnahme in die Marineoffiziersschule, um dort eine zweimonatige Ausbildung zum Schnellbootkommandanten zu absolvieren. Die Vorstellungen von Kameradschaft, Kampfeinsätzen, Ruhm und relativer Unabhängigkeit auf dem Meer motivieren Kennedy – außerdem kennt und liebt er Schnellboote aus seiner Jugend in Cape Cod. Auch bei diesem Vorhaben ist ihm die Unterstützung seines Vaters sicher. Dieser möchte seinen Sohn der Publizität wegen in die Schnellbootflotte bringen. Er hofft, dass sich John F. Kennedy einen Namen macht und in Zukunft bei politischen Wahlen auf die Stimmen von Veteranen zählen kann.

John F. Kennedy und die Mannschaft der PT-109, 1943 · Bildnachweis: John F. Kennedy Presidential Library & Museum, Boston
John F. Kennedy und die Mannschaft der PT-109, 1943 · Bildnachweis: John F. Kennedy Presidential Library & Museum, Boston

Und so lädt Joseph P. Kennedy Kapitänleutnant John Duncan Bulkeley auf ein Mittagessen in New York City ein, um die Fähigkeiten seines zweitgeborenen Sohnes persönlich anzupreisen. Bulkeley ist bemächtigt, Rekruten für die Schnellbootschule in Rhode Island auszuwählen. Das Werben ist erfolgreich und John F. Kennedy wird als einer von nur 50 Rekruten aus über 1000 Bewerbern ausgewählt – trotz seines merklich schlechten Gesundheitszustandes.

 

Im April 1943 erhält er endlich das Kommando über sein eigenes Boot: die PT-109. Zu seinem ersten Einsatz wird Kennedy in den Pazifik entsandt, um dort in einer Geheimmission japanische Frachter davon abzuhalten, abgelegene Stützpunkte zu beliefern. In der Nacht auf den 2. August 1943 lässt Kommandant Kennedy das Boot sehr langsam fahren, um unentdeckt zu bleiben. Zur gleichen Zeit sind drei japanische Transportschiffe auf dem Rückweg zu ihrem Stützpunkt. Beschützt werden sie vom Zerstörer Amagiri (dt.: Himmelsnebel), welcher mit einer Geschwindigkeit von 30 Knoten (55 km/h) etwa 2.000 m hinter ihnen fährt. Der Zerstörer ist zwar nicht mit einem Radar ausgestattet, aber voll gefechtsbereit. Da auch Kennedys PT-109 ohne Radar durch die Nacht fährt, kommt es wie es kommen muss: Der japanische Zerstörer rammt unbeabsichtigt die PT-109 und teilt sie entzwei; zwei Mannschaftsmitglieder Kennedys werden auf der Stelle getötet. Während die Amagiri ihre Fahrt fortsetzt, schwimmen die überlebenden Besatzungsmitglieder des Torpedoboots im Wasser, um sich vor den Flammen zu schützen. Nach einer Nacht auf dem Wrack führt Kommandant Kennedy seine Mannschaft in einem mehrstündigen Kraftakt schwimmend zu einer kleinen Insel. Einen verletzten Kameraden zieht er an dessen Schwimmweste durchs Wasser bis ans Land.

 

Bildnachweis: John F. Kennedy Presidential Library & Museum, Boston
Kokosnuss-Briefbeschwerer mit eingeritzter Nachricht: "Nauro Island ... Kommandant ... Eingeborener kennt Position ... er kann lotsen ... 11 am Leben ... brauchen kleines Boot ... Kennedy

Erst nach vier Tagen ohne Nahrung und Wasser findet die Mannschaft unter der Führung Kennedys, der immer wieder allein aufs offene Meer hinausschwimmt um Schiffe auf sich aufmerksam zu machen, eine größere Insel. Dort können sie sich mit dem Verzehr von Kokosnüssen am Leben halten. Die endgültige Rettung gelingt Kennedy mittels einer in eine Kokosnuss geritzten Nachricht, die verbündete Neuseeländer erreicht: "11 AM LEBEN ... BRAUCHEN KLEINES BOOT ... KENNEDY."

 

Der Unfall ist natürlich zu keinem Zeitpunkt Bestandteil der militärischen Laufbahn, die Joseph P. Kennedy für seinen Sohn im Sinn hatte. Jedoch ist John F. Kennedys Rettungsaktion perfekter Stoff für eine Heldengeschichte. So sieht das auch John Hersey, ein mit den Kenedys befreundeter Journalist. Er erzählt 1944 unter dem Titel »Survival« die Geschichte der PT-109 öffentlichkeitswirksam im The New Yorker der gesamten Nation. Der Artikel macht John F. Kennedy als Kriegshelden berühmt und ebnet den Weg für seinen politischen Aufstieg.

 

Der Untergang des Schiffes markiert einen Schlüsselmoment in der Biografie John F. Kennedys. Zwar ist der Unfall letztendlich die Schuld des unaufmerksamen Kommandanten, gleichzeitig ist seine Reaktion darauf Beweis für seine Willensstärke, sein Durchhaltevermögen und seine Führungsfähigkeiten – Eigenschaften, die sich in der politischen Karriere von Vorteil erweisen werden. Als Erinnerung an die Geschehnisse in der Nacht des 2. August, nutzt John F. Kennedy die "rettende" Kokosnuss bis zu seinem tragischen Tod als Briefbeschwerer auf seinem Schreibtisch im Weißen Haus.

 

Text: Constantin Berlin

 

Fotografien: John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston