Der Club der First Ladies

Die Rolle der First Lady der USA ist einzigartig. Sie bekleidet kein offizielles Amt, in das man gewählt wird. »Man bekommt diesen Job, weil dein Ehemann Präsident wird« stellte Hillary Clinton in ihrer Autobiografie »Living History« lapidar fest. Doch so einfach das klingt, ist es in der Praxis bei Weitem nicht. Neben der fehlenden Jobbeschreibung, ist besonders das ständige Leben in der Öffentlichkeit eine Herausforderung. Jeder Schritt wird von Medien und Gesellschaft beobachtet und bewertet. Die Erfahrung, diese außergewöhnliche Position ausfüllen zu müssen, schweißt zusammen. Über die vergangenen Jahrzehnte hat sich so ein inoffizieller »Club der First Ladies« gebildet, durch den sich die Gattinnen der US-Präsidenten gegenseitig inspirieren, beraten, unterstützen und sogar Freundschaften knüpfen.

 

Foto: First Lady Hillary Rodham Clinton sitzt während der Veranstaltung »Tribute to America's First Ladies« mit ehemaligen First Ladies der USA zusammen. Washington D.C., 11.5.1994 · Barbara Kinney, William J. Clinton Presidential Library & Museum
Foto: First Lady Hillary Rodham Clinton sitzt während der Veranstaltung »Tribute to America's First Ladies« mit ehemaligen First Ladies der USA zusammen. Washington D.C., 11.5.1994 · Barbara Kinney, William J. Clinton Presidential Library & Museum

 

Beim Einzug in das Weiße Haus wird der First Lady keine Liste mit ihren Aufgaben und Pflichten überreicht. Aus diesem Grund nutzen die meisten First Ladies die Erfahrungen ihrer Vorgängerinnen, um sich in die neue Rolle einzufinden. So stand auf dem Schreibtisch von Hillary Clinton ein gerahmtes Bild von Eleanor Roosevelt. Roosevelt war für sie eine besondere Quelle der Inspiration, schließlich hatte sie es gewagt, aus dem Schatten ihres Mannes hervorzutreten und eigene politische Projekte zu verfolgen. Als der US-Kongress 1994 die von Clinton initiierte Gesundheitsreform ablehnte, fragte sich Clinton, was ihre Vorgängerin wohl an ihrer Stelle getan hätte. Bei ihren Spaziergängen durch das Weiße Haus stellte sich Clinton vor, dass Roosevelt sie dazu aufgefordert hätte, sich eine dickere Haut zuzulegen und nach vorne zu schauen.

 

Zu den Ritualen im Weißen Haus gehört es, dass die scheidende First Lady ihrer Nachfolgerin eine persönliche Führung durch die Räumlichkeiten gibt. Diese erste offizielle Begegnung war in manchen Fällen der Beginn gegenseitiger Sympathie, wie bei Laura Bush und Michelle Obama. Während ihrer Führung durch das Weiße Haus wies Laura Bush Michelle Obama auf eine Stelle im Ankleidezimmer hin, von der man eine gute Aussicht in das Büro des Präsidenten hat. Dieser besondere Ort im Weißen Haus war Laura Bush bereits von ihrer Vorgängerin Hillary Clinton gezeigt worden, die wiederum von Barbara Bush auf diesen Ort aufmerksam gemacht worden war. Die First Ladies schaffen ihre eigenen Traditionen.

 

Neben den offiziellen Anlässen, begegnen sich manche First Ladies auch im Privaten und entwickeln Freundschaften. Hillary Clinton und Jacqueline Kennedy standen sich mit Rat zur Seite, kurz nachdem Clinton in das Weiße Haus einzog. Kennedy war es gelungen, ihren Kindern ein behütetes Aufwachsen im Weißen Haus zu ermöglichen. Clinton strebte dies auch für ihre Tochter Chelsea an. Kennedy riet Clinton Tochter Chelsea vor der medialen Berichterstattung, wie Reporterteams oder Fotografen, zu schützen. Nur so könne sie wie ein normaler Teenager, der gegen die Eltern rebelliert und über die Stränge schlägt, aufwachsen. Dieser Rat kam genau zur richtigen Zeit. Clinton hatte mit der Entscheidung gehadert Chelsea auf eine Privatschule zu schicken. Nach dem Treffen mit Jacqueline Kennedy war sich Hillary Clinton sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, schließlich garantierte die Privatschule den Schutz der Privatsphäre.

 

Die gegenseitige Unterstützung der First Ladies bleibt jedoch nicht auf die Amtszeit beschränkt. Sie sehen sich regemäßig bei Eröffnungen von Präsidenten-Bibliotheken oder anlässlich von Begräbnissen ehemaliger Spitzenpolitiker. Zusätzlich unterstützen sich die First Ladies, wenn sie aus dem Schatten ihrer Ehemänner hervortreten und eigene Projekte in der Öffentlichkeit anstreben. Sie ergreifen für einander das Wort in der Öffentlichkeit. Während Clintons Präsidentschaftswahlkampf 2016 hielt Michelle Obama in New Hampshire nur wenige Tage vor der Wahl eine Rede, die in den sozialen Medien gefeiert wurde. Die Rede wurde tausendfach auf Facebook geteilt und auf Twitter wurden die besten Zitate diskutiert. Obamas Kernaussage: Clinton sei eine Kandidatin, die ihr Leben in den Dienst der amerikanischen Gesellschaft gestellt hat – im Gegensatz zu Donald Trump. In der Präsidentschaftswahl 2016 gelang es Clinton schließlich den Bundesstaat New Hampshire mit einem knappen Vorsprung zu gewinnen – wohl auch dank der Unterstützung Obamas.

 

Das Amt der First Lady vereint. Die Ehefrauen der ehemaligen und amtierenden Präsidenten inspirieren sich, kennen sich, beraten sich und unterstützen sich gegenseitig. Laura Bush brachte es in einem Interview 2013 sehr gut auf den Punkt, als sie sagte: »Wir First Ladies haben jede Menge worüber wir gemeinsam sprechen können, Themen die niemand anderes wirklich verstehen wird«.

 

Paulina Rubin