Zwei Millionen Abonnenten auf Instagram und Bildbände, die auf Platz 1 der Bestellerlisten stehen: eindeutige Hinweise auf die Wirkungsmacht von Pete Souzas Fotografien. Er war von 2009 bis 2017 Cheffotograf des Weißen Hauses. In einem Interview im April 2018 machte Souza deutlich, wie wichtig dieser Job ist: »Du bist ein Chronist der Weltgeschichte.« Als erster US-Präsident erkannte John F. Kennedy die enorme Bedeutung der fotografischen Dokumentation seiner Amtszeit. Ohne zu zögern schuf er 1961 den Posten des Fotografen des Weißen Hauses und wählte Cecil Stoughton dafür aus.
Stoughton wurde am 20. Januar 1920 in Oskaloosa, Iowa geboren. Den Umgang mit der Kamera erlernte er bei der US-Army. In deren Auftrag reiste er als Kriegsfotograf auf die Salomon-Inseln, um die Kampfhandlungen zwischen den USA und dem Kaiserreich Japan zu dokumentieren. Seine anschließende Tätigkeit für das Public Information Office der US-Army machte ihn mit Generalmajor Chester Clifton bekannt – zugleich ein Militärberater John F. Kennedys. Stoughton begleitete Clifton 1961 zu Kennedys Amtseinführung, um diese für das Public Information Office zu fotografieren. Als einziger der anwesenden Fotografen schoss Stoughton Bilder aus nächster Nähe. Diese gefielen dem Präsidenten so gut, dass er Stoughton kurzerhand die Stelle des Fotografen im Weißen Haus anbot.
Dort lichtete der Fotograf auch privatere Momente der Kennedy-Familie ab. Seine wohl berühmteste Aufnahme zeigt die sechsjährige Caroline und ihren dreijährigen Bruder John F. Kennedy Jr. im Oval Office beim Tanzen, während ihr Vater John F. Kennedy im Takt klatscht.
An dieser Fotoserie lässt sich exemplarisch der Schnappschuss-Charakter in Stoughtons Bildsprache erkennen, der die vorgebliche Spontanität der familiären Fotoshootings unterstrich. Die positive Wirkung seiner Kinder auf Fotografien, und die damit verbundene Betonung seiner eigenen Rolle als junger Familienvater, war ein Aspekt seines öffentlichen Images, den John F. Kennedy bewusst in den Vordergrund stellte. Jacqueline Kennedy war hingegen zurückhaltend, was die Instrumentalisierung der Kinder als Fotomotive anging.
Neben der Pflege des medialen Erscheinungsbildes des Präsidenten war die zweite zentrale Aufgabe Stoughtons, die Amtszeit Kennedys für die Nachwelt zu dokumentieren. Insgesamt 12.000 Negative brachte er während seiner knapp dreijährigen Arbeit für den 35. US-Präsidenten zustande. Die aus historisch-politischer Perspektive wohl wichtigste Aufnahme nahm Stougton am 22. November 1963 in der Air Force One auf – dem Tag des tödlichen Attentats auf John F. Kennedy in Dallas, Texas.
Nachdem Stoughton kurz nach dem Attentat im Krankenhaus erfahren hatte, dass Lyndon B. Johnson und Jacqueline Kennedy mit dem verstorbenen Kennedy nach Washington zurückfliegen wollten, fuhr auch er zum Flughafen. Im Flugzeug traf er die schwierige Entscheidung, die improvisierte Vereidigung von US-Präsident Johnson abzulichten.
Der allgemeine Schockzustand und der Anblick des blutbefleckten Kostüms Jacqueline Kennedys, hatte in ihm ein Gefühl der Pietätlosigkeit aufkommen und zögern lassen. Doch Stoughton drückte ab. »Das ist ein Moment in dem Geschichte geschrieben wird. Ich bin dafür da dieses Foto zu machen auch wenn es geschmacklos erscheinen mag. Und ich denke wir sollten dieses Foto haben.« Mit diesen Worten rechtfertigte Stoughton seine Entscheidung.
So wurde ein Moment dokumentiert, der unter anderen Umständen für immer unter der Stahlhaut der Air Force One verborgen geblieben wäre. Der abrupte Wechsel im Präsidentenamt war somit für die Amerikaner auch visuell nachvollziehbar geworden. Um die Aufnahmen für Nachrichtenagenturen nutzbar zu machen, hatte Stoughton einen Schwarz-Weiß-Film eingelegt. Gerade das Monochrome unterstreicht die Tragik des Moments und rückt die Ausdrücke der Gesichter in den Vordergrund.
Cecil Stoughton hatte als erster Fotograf des Weißen Hauses die Möglichkeit, diesen neuen Posten für nachfolgende Fotografen zu prägen. Jenen Fotografen kommt eine wichtige und oftmals unterschätzte Aufgabe zu: Sie dokumentieren die Amtszeit des Präsidenten für die Nachwelt und gestalten das Image des Präsidenten und seiner Familie entscheidend mit. Beispiellos gelang es Stoughton, die kurze Amtszeit Kennedys in intimen Bildern, die Nähe zum Präsidenten suggerierten, festzuhalten. Die Aufnahme der improvisierten Vereidigung Johnsons in der Air Force One steht wie keine Zweite für die Rolle des Fotografen als Chronist der Weltgeschichte, markiert sie doch den Übergang von den mythenumwobenen 1.000 Tagen der Kennedy-Präsidentschaft in die unruhige Zukunft der späten 1960er Jahre.
In der Dauerausstellung des Museum THE KENNEDYS können Sie zahlreiche Fotografien von Cecil Stoughton betrachten.
Stefanie Arweiler
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